Der Flächenbedarf ist immer und überall ein Thema
Bei der normgerechten Auslegung von Fettabscheidern ist der Platzbedarf der Anlagen oft eine Herausforderung. Ein Gespräch mit Alexander Steinherr, Produktmanager Abscheidetechnik bei KESSEL, über raumsparende Lösungen – und Grenzen des Machbaren.
Alexander Steinherr, Produktmanager Abscheidetechnik bei KESSEL.
Die Grundsätze für den Bau der Abscheideranlagen für Fette sind in der DIN EN 1986-1: 2004 geregelt, deren Bemessung, Einbau, Betrieb und Wartung in den Normen DIN EN 1825-2: 2002 und DIN 4040-100: 2016. Sie definieren die allgemein anerkannten Regeln der Technik und geben Orientierung für eine optimale Abwasserbehandlung. Die bauliche Einbindung dieser Anlagen in das Grundstück oder das Gebäude stellt Planer vor allem in der Freiaufstellung vor gewisse Herausforderungen. Gerade im Bestand ist der Flächenbedarf der Anlagen ein ausschlaggebender und limitierender Faktor. Platz und Raum sind nicht nur in Großstädten knapp wie teuer und dementsprechend als Verkaufsargument in der Marketing-Strategie der Hersteller angekommen. „Kompaktanlagen“, welche die drei relevanten Komponenten Abscheider, Probenahmeeinrichtung und Hebeanlage in einem Produkt integrieren, werden als neue „Raumlösung“ beworben. Doch wieviel Platz kann bei der Abwasserbehandlung noch gespart werden? Wir haben bei Alexander Steinherr, Produktmanager Abscheidetechnik beim Entwässerungsspezialisten KESSEL, nachgefragt.
Herr Steinherr, der Flächenbedarf von Fettabscheidern ist für Betreiber, Planer und Architekten ein großes Thema, das auch in der Praxis täglich auf den Baustellen anzutreffen ist. Mit Blick auf die heutigen Quadratmeterpreise: Hat sich die allgemeine Platznot für Entwässerungsanlagen Ihrer Meinung nach verschärft?
Schematischer Vergleich der Aufstellfläche: Gängige Kompaktanlagen mit den benötigten Anbauteilen (unten) haben nicht zwangsläufig einen geringeren Flächenbedarf als die äquivalente KESSEL-Abscheiderlösung mit externer Probenahme und Hebeanlage.
Der Flächenbedarf ist immer und überall ein Thema. Wenn Sie sich mit einem Planer in München unterhalten, sagt er Ihnen, dass fast überall nur noch Abscheider der Nenngröße NS 4 eingebaut werden sollen – für größere und der normgerechten Auslegung entsprechende Anlagen fehle einfach der Platz. Bei manchen Sanierungen kann ich mich nur wundern, welche abenteuerlichen Lösungen man zu sehen bekommt und wo manche Betreiber ihre Abscheider aufstellen möchten. Ganz nach dem Motto: was nicht passt, wird passend gemacht. Hier ist oft Überzeugungsarbeit nötig. Die praxisgerechte Dimensionierung eines Abscheiders ist fest durch die Norm vorgegeben. Hinzu kommen weitere Faktoren: Allein für die waagerechte Beruhigungsstrecke vor dem Abscheider muss mindestens das Zehnfache der Nennweite am Zulauf, also rund ein bis zwei Meter, berücksichtigt werden. Die Größe des Aufstellraums muss ebenfalls ausreichend dimensioniert sein, damit für die Wartung über und um den Abscheider ein Freiraum von je 50 cm zur Verfügung steht. Daher gilt es, genügend Raum für die problemlose Wartung und den Austausch von Anbauteilen und Komponenten einzuplanen.
Die Funktionsweise eines Fettabscheiders lässt aus normativer Sicht grundsätzlich auch wenig Spielraum zu.
Das ist richtig. Wasser ist nicht komprimierbar und braucht den Platz, den es eben braucht. Fettabscheider funktionieren rein physikalisch nach dem Schwerkraftprinzip und arbeiten für die Trennung der Stoffe mit dem Dichteunterschied. Diese naturgegebenen Gesetze bestimmen den Rahmen und seit dem Patent-Eintrag von Nathaniel T. Whiting aus Kalifornien im Jahr 1884 hat sich am Grundprinzip von Fettabscheidern wenig geändert. Wir arbeiten also seit 140 Jahren nach diesem Prinzip. Und die Normen regeln die Vorgaben entsprechend der praxisgerechten Dimensionierung wie die Größe des Schlammfangs mit 100 Litern mal Nenngröße oder des Fettspeichers mit 40 Liter mal Nenngröße. Da gibt es keinen großen Spielraum mehr. Ich denke, bei den Größenverhältnissen bei Abscheidern haben wir die Grenzen des Machbaren langsam erreicht.
Dann sind neue Ansätze doch gefragter denn je? Fettabscheider, Probenahme und Hebeanlage – alle Komponenten integriert in einem Produkt als Kompaktanlage.
Um ehrlich zu sein: wenn die normativen Vorgaben allein durch das Weglassen von bewährten Elementen ausgehebelt werden, ist dies für mich nicht mehr als ein Marketing Trick, um eine vorgeschriebene Abwasserbehandlung für den Betreiber etwas einfacher darzustellen. Aber es lohnt sich, etwas genauer hinzusehen.
Wie meinen Sie das?
Der Flächenbedarf für eine Abscheiderlösung zur freien Aufstellung wird durch die Breite und Länge der Gesamtanlage mit ihren Komponenten bestimmt. Wenn ich die Abmessungen einer sogenannten Kompaktanlage zum Beispiel mit unseren äquivalenten KESSEL Abscheiderlösungen mit separaten Komponenten vergleiche, fallen die Ergebnisse eindeutig aus. In den vergleichbaren Baugrößen von NS 2 bis NS 10 ist die angebliche „Kompaktlösung“ länger als unsere EasyClean-Modelle mit externer Probenahme sowie Hebeanlage. Auch der tatsächliche Flächenbedarf ist größer. Selbst wenn ich die Entsorgungspumpe bei der Vergleichsberechnung nicht berücksichtige, ist der Flächenbedarf immer noch nahezu identisch. Das heißt, in der Praxis bringen sogenannte Kompaktlösungen meist keinen relevanten Raumgewinn. Vielmehr bieten Anlagen mit getrennten Komponenten sogar Vorteile, da deren Einbringung speziell in beengten Verhältnissen leichter erfolgen kann und sie eine deutlich größere Flexibilität hinsichtlich der räumlichen Anordnung ermöglichen. Beispielsweise könnte die separate Hebeanlagen bei Bedarf in einen anderen Raum verlagert werden oder bei einer Aufstellung oberhalb der Rückstauebene komplett entfallen. Auch die Zugänglichkeit für Wartung und Betrieb spielt eine wichtige Rolle.
Der EasyClean free Auto Mix & Pump NS 4 kann durch die geschwungene Behälterform die komplette Technik auf der Grundfläche des Abscheiders integrieren und lässt sich platzsparend direkt an der Wand aufstellen. Die externe Probenahme und die Hebeanlage Aqualift F XL Duo bieten zusätzlich mehr Freiheitsgrade in der Aufstellung.
Wenn man einen Vorteil von Kompaktanlagen herausstellen möchte, ist dies aus meiner Sicht nicht der reduzierte Flächenbedarf, sondern die einfache Installation von Standardlösungen über reduzierte Komponentenverbindungen, die für eine Fachkraft aber eh zum Tagesgeschäft gehören.
Was sind dann Lösungen für eine raumsparende Abscheidetechnik?
Wir bei KESSEL setzen vor allem auf flexible Lösungen aus einem breiten Produkt-Portfolio, um vor allem anwendungsorientierte Antworten zu bieten. Wie bei den Kompaktanlagen kann bei unseren Produkten die Hebeanlage direkt am Abscheider stehen – muss sie aber nicht. Sie kann sogar in einem anderen Raum platziert werden. Dadurch gibt es höhere Freiheitsgrade in der Aufstellung mit variablen Platzsparmöglichkeiten. Die Hebeanlage kann dann neben fetthaltigem Schmutz- und Spülwasser noch anderes Abwasser wie Grau- und Schwarzwasser pumpen. Wir sind auch nicht wie bei den starren Kompaktmodellen auf wenige vorgegebene Pumpenvarianten festgelegt. Neben dem Aufstellort sind auch Volumen und Leistung der Pumpe(n) variabel. Außerdem achten wir auf eine geringere Aufbauhöhe und eine optimale Zugänglichkeit der Komponenten, was ebenfalls auf den Raumbedarf der Abscheidetechnik einzahlt.
Die Abteilung „Individuelle Lösungen“ plant und fertigt für räumlich eingeschränkte Gegebenheiten oder spezielle Anwendungen maßgeschneiderte Sonderlösungen, die teilweise oder vollständig vor Ort montiert und auf engem Raum installiert werden können.
Des Weiteren bieten wir neben einer Vielfalt an Standardlösungen auch besondere Konfigurationen über unsere Abteilung „Individuelle Lösungen“ an. Dadurch können wir für schwer zugängliche und begrenzte Räumlichkeiten sowie für spezifische Anforderungen maßgeschneiderte Sonderlösungen fertigen, die teilweise oder vollständig vor Ort montiert werden und die Installation bei sehr beengten Gegebenheiten ermöglichen. Für uns ist dabei immer entscheidend: egal ob Standardanlage oder individuelle Lösung, die normativen Regelungen geben den Rahmen vor und sorgen für eine langfristige Betriebssicherheit des Fettabscheiders ohne Geruchsbelästigungen, ohne Korrosionsgefahren und ohne Ansammlung von Faulgasen im Sammelbehälter.
Sie sprechen damit die Durchlüftung von Fettabscheidern an. Bei den Kompaktabscheidern wird hier eine reduzierte Anzahl an Lüftungsleitungen als Vorteil angeführt. Wie sehen Sie dies aus normativer Sicht?
Da gemäß DIN 4040-100 Zulaufleitungen an Abscheideranlagen unmittelbar über Dach be- und entlüftet werden müssen und an diese Lüftungsleitung keine anderen Lüftungen angeschlossen werden dürfen (DIN EN 1825-2, DIN 1986-100), kann weder bei den Kompaktanlagen noch bei der separat eingesetzten Hebeanlage auf eine eigene über Dach geführte Lüftungsleitung verzichtet werden. Eine funktionierende Be- und Entlüftung ist nicht nur Voraussetzung für einen störungsfreien Betrieb über die Regulierung von Über- und Unterdrucksituationen im Abscheider. Darüber hinaus muss auch ein quantitativer Luftaustausch gewährleistet werden, um eine Aufkonzentration gefährlicher und korrosiver Faulgase im Fettabscheider zu vermeiden. Bei einem Verzicht auf eine Entlüftungsleitung der Hebeanlage ist dies nicht gewährleistet. Die Forderung einer natürlichen Durchlüftung ist sowohl in der DIN 4040-100 als auch im Entwurf des neuen Merkblatt DWA-M 760 „Fetthaltiges Abwasser“ des Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) klar geregelt und eindeutig beschrieben.