EMDR – Traumatherapie und mehr

Traumatische Erlebnisse aus der Vergangenheit durch Augenbewegungen verarbeiten

Traumatische Ereignisse werden individuell sehr unterschiedlich erlebt. Dabei spielt die eigene Vorgeschichte und die subjektive Wahrnehmung tatsächlich eine größere Rolle als die objektive Schwere des Ereignisses. Ähnlich wie bei der Trauerbewältigung, ist die Reaktion der Menschen auf diese Erlebnisse sehr unterschiedlich. Einige ziehen sich zurück, andere haben ein starkes Bedürfnis danach über das Geschehene zu reden und andere versuchen sich abzulenken und es aus dem Bewusstsein zu schieben. Egal, auf welche Weise man versucht Traumata zu verarbeiten, es gelingt nicht immer so, wie man es sich wünscht. Nicht selten ist der natürliche Heilungsprozess blockiert, was sich in vielfältigen körperlichen und mentalen Problemen, insbesondere aber in Angststörungen, manifestiert.

EDMR (Eye Movement Desensitization and Processing) ist eine psychotherapeutische Methode, die bei der Verarbeitung von Traumata helfen soll. Die Technik soll es den Betroffenen ermöglichen, den Einfluss ihres Traumas auf ihr Leben zu kontrollieren und zu mindern. Als Behandlungsmöglichkeit von Posttraumatischen Belastungsstörungen etabliert, hat EMDR bereits vielen Menschen mit traumatischen Erinnerungen und Bewältigungsblockaden geholfen.

Die Methode

Die Idee ist, der traumatisierten Person dabei zu helfen, traumatische Erlebnisse möglichst schnell und langfristig zu verarbeiten und einen Zustand zu erreichen, in welchem er möglichst unbeeinträchtigt mit seiner Vergangenheit leben kann.

Bei der Therapie konzentriert sich die betroffene Person auf Bruchteile eines traumatischen Erlebnisses, während sie mit den Augen die Fingerbewegungen des Therapeuten verfolgt. Die Finger werden dabei vor dem Gesicht des Patienten abwechselnd nach links und nach rechts bewegt. Ziel ist es, tatsächlich eine Bewegung der Augen herbei zu führen, der Kopf darf also nicht mit bewegt werden. Gleichzeitig werden entweder beide Ohren abwechselnd beschallt oder die Hände der Person rhythmisch berührt.

Diese akustischen, visuellen und taktilen Techniken führen dazu, dass beide Hälften des Gehirns stimuliert werden. Diese sogenannte bilaterale Stimulation unterstütz den Informationsfluss im Gehirn und soll einen besonderen Verarbeitungsprozess einleiten.

Die Wissenschaft hinter der Technik

Mittlerweile belegen zahlreiche Studien die Wirksamkeit der Methode. Warum das Ganze funktioniert ist allerdings noch nicht final beantwortet, es gibt drei Theorien:

1. Durch Wiederholung Kontrolle erlangen

EMDR soll eine besonders ruhige und sichere Situation schaffen. Dieses Umfeld soll das Durchbrechen von Automatismen, wie panische Reaktionen auf bestimmte Reize, erlauben. Der Patient soll sich während der Therapie darauf konzentrieren, seine Reaktion auf die traumatischen Erinnerungen zu kontrollieren und negative Emotionen durch neutrale zu ersetzen. So wie man durch viel Übung das Fahrradfahren, Schwimmen oder Schreiben lernt, können durch viele Wiederholungen bei der Therapie neue Reaktionen auf die entsprechenden Reize erlernt werden. Wird das Erlebte oft genug imaginär wiederholt und bewusst reagiert, kann die neu erlernte emotionale Reaktion auf die „Trigger“ zu einem neuen Automatismus werden und den ursprünglichen aufheben.

2. Assoziationen verändern – Entspannung statt Panik

Der Parasympathikus ist der Teil des Nervensystems, der für die Beruhigung der körperlichen Aktivitäten, wie der Atmung und des Herzschlages, zuständig ist. Bei der Stimulation beider Gehirnhälften ist auch dieser Nerv betroffen und indiziert einen Entspannungszustand. Werden in diesem Zustand die unangenehmen Erinnerungen und Reize imaginär durchlebt, können die Assoziationen mit diesen verändert werden. Sie können an den Entspannungszustand gekoppelt werden.

Das bedeutet, dass durch die Therapie bestimmte Umgebungsreize nicht mehr sofort mit einem traumatischen Erlebnis, sondern mit Entspannung in Verbindung gebracht werden und den Patienten nicht mehr so stark beeinflussen.

3. Informationsverarbeitung wie im REM-Schlaf

Die Dritte Theorie erklärt die Wirksamkeit der EMDR-Methode mit einem Verarbeitungszustand, der dem REM-Schlaf (bei dem ähnliche Augenbewegungen ablaufen) ähnelt. Die dabei erhöhte Gehirnaktivität soll eine beschleunigte, „produktivere“ Verarbeitung des Traumas ermöglichen.

Der REM-Schlaf und der Zustand einer Person während der Anwendung von EMDR ähneln sich, da bei der Therapie der Vagus-Nerv stimuliert wird. Der Nerv bewirkt die Entspannung des Körpers - wie im Schlaf - und wird vor allem durch die Augenbewegungen stimuliert.

Somit bleib es dem Patienten nicht erspart, sich wiederholt in die traumatischen Situationen hinein zu verssetzten, doch der Verarbeitungsprozess des Erlebten kann deutlich beschleunigt werden.

Die Funktion der Augenbewegungen

Illustration
Bildquelle: Technologie-Medien

„Warum sollte EMDR funktionieren?“- Ob Wiederholung, Entspannung oder der Verarbeitungszustand, die Antwort auf diese Frage ist, ist unklar.

Klar ist jedoch, dass kein Weg an der wiederholten Konfrontation mit den unangenehmen Reizen vorbeiführt und, dass das Erreichen eines Zustandes, der dem REM-Schlaf (in dem die Informationen des vergangenen Tages verarbeitet werden) ähnelt, der Schlüssel ist.

Während des REM-Schlafes werden Informationen, Emotionen und Gedanken mit einander verknüpft, eingeordnet und verarbeitet. Dabei bewegen sich unsere Augen. Die Nachahmung dieser Augenbewegungen kann es uns ermöglichen diesen Zustand zu imitieren und traumatische Erinnerungen neu mit Emotionen zu verknüpfen, einzuordnen und zu verarbeiten. Zum Beispiel kann die Stressreaktion auf einen bestimmten Reiz durch Ruhe ersetzt werden oder der Reiz als weniger gefährlich eingeordnet werden. Im besten Fall wird die Erinnerung in einen Teil des Gedächtnisses, in dem weniger wichtige und präsente Erinnerungen gespeichert werden verschoben. Dies ermöglicht der betroffenen Person emotionalen Abstand zu ihrem Trauma zu gewinnen und vermindert dessen Einfluss auf ihr tägliches Leben.

Ob wir in Bewegung sind oder nicht verändert unsere Wahrnehmung. Stehen wir an einer Stelle, blendet unser Gehirn große Teile unserer Umgebung aus, um die Wahrnehmung des direkt vor uns Liegenden zu verbessern. Sind wir in Bewegung, z.B. bei einem Spaziergang, nehmen wir im Vergleich viel mehr Informationen aus unserer Umgebung wahr. Wir gucken uns um, um uns zu orientieren. Die Bewegung der Augen ermöglicht es also, mehr Informationen aus der Umgebung aufzunehmen und zu verarbeiten, der Informationsfluss im Gehirn wird gesteigert. Es kann ein ganzheitlicheres Bild des Geschehenen mit mehr Distanz und Kontext entstehen. D.h., die betroffene Person ist dazu in der Lage, sich nicht sofort vom traumatischen Teil einer Erinnerung überwältigen zu lassen, sondern das gesamte Bild zu sehen. Die traumatische Erinnerung wird weniger relevant.

EMDR in der Zukunft

EMDR verspricht langanhaltende Erfolge. Viele Studien belegen, dass auch mehrere Monate nach der Behandlung weiterhin alle Therapieerfolge bestehen können. Vielleicht besteht sogar die Möglichkeit mit Hilfe von EMDR lebenslange Erfolge in der Verarbeitung von Traumata zu erzielen.

Der offensichtliche Bedarf an Behandlungsmöglichkeiten von Posttraumatischen Belastungsstörungen bietet einen Anlass zur weiteren Erforschung und eventuell auch der Verbesserung der Methode. Schließlich leiden sehr viele Menschen (7,8 Prozent der erwachsenen US-amerikanischen Bevölkerung) an irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Außerdem erhöht eine PTBS die Wahrscheinlichkeit für andere, zusätzliche psychische Erkrankungen.

Des Weiteren könnte sich EMDR in Zukunft auch als wirksamer Behandlungsansatz für andere psychische Erkrankungen, wie Zwangsstörungen oder spezifische Phobien erweisen. Womöglich kann mit dieser Methode vielen Menschen bei der Bewältigung psychischer Lasten und Blockaden geholfen werden.

Quellen
  1. Ad de Jongh, Erik ten Broeke, Journal of EMDR Practice and Research, Volume 3, Number 3, (2009). EMDR and the Anxiety Disorders: Exploring the Current Status
  2. Bundesärztekammer – Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie PsychThG (6. Juli 2006). Gutachten zur wissenschaftlichen Anerkennung der EMDR-Methode (Eye Movement-Desensitization and Reprocessing) zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung
  3. Bundespsychotherapeutenkammer (4. August 2011). Bewertung der EMDR als Methode im Rahmen von Einzelpsychotherapie bei Erwachsenen im Anwendungsbereich Posttraumatische Belastungsstörungen
  4. Europäische Gesellschaft für Traumatherapie und EMDR e.V.
  5. Liyu Cao, Barbara Händel (2019), Walking enhances peripheral visual processing in humans

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