Dynamischer Handgriff reduziert Stress

Druck – ob Wettbewerb, Zuschauer, bevorstehende Belohnung oder Strafe, jeder kennt das Gefühl. Für Sportler kann er zum Verhängnis werden, sie erreichen oft im entscheidenden Moment eines Wettkampfes nicht ihre Höchstleistung oder versagen sogar vollständig. Fehler, die sie den Sieg kosten können und unter normalen Trainingsgegebenheiten nie passiert wären.

Denken kann stören - die Angst davor zu Versagen hat oft zur Folge, dass Sportler darüber nachdenken, wie genau sie Bewegungen ausführen, die eigentlich automatisiert sind. Diese bewusste Verarbeitung erfolgt in der linken Gehirnhälfte und stört die eingeübten Prozesse. Ein dynamischer Handgriff mit der linken Hand kann durch die Erzeugung von Alpha-Wellen im Gehirn für einen Ruhezustand sorgen, der die hinderliche Gehirnaktivität (der linken Hälfte) reduziert und die Leistungsfähigkeit des Spielers aufrechterhält.

Studie soll Klarheit schaffen

Jürgen Beckmann, Lukas Fimpel, V. Vanessa Wergin widmeten sich diesem Problem mit der Studie: ,,Preventing a loss of accuracy of the tennis serve under pressure“ (Deutsch: ,,Den Verlust von Präzision beim Tennisaufschlag unter Druck verhindern“).

Ihr Ansatz bestand in folgendem: Einen möglichen Grund für das Phänomen lieferten EEG-Studien, die zeigten, dass bei Golfern, die unter Druck versagt haben eine erhöhte Hirnaktivität im linken Temporallappen bestand. Dieser steht in enger Verbindung mit bewegungsspezifischer, bewusster Verarbeitung. Gleichzeitig wurde bewiesen, dass bei der erfolgreichen Ausführung von automatisierten Bewegungsabläufen die bewusste Verarbeitung abnimmt. Das bedeutet, dass neurologisch festgestellt werden konnte, dass die Aktivität der linken Gehirnhälfte automatisierte Bewegungsabläufe, die Profisportler durch bestimmte neuronale Verknüpfungen entwickelt haben, stören kann.

Ablenkung durch irrelevante Gedanken, z.B. an Zuschauer oder aufkommende Emotionen, sowie übermäßiges Nachdenken über die Ausführung von eigentlich automatisierten Bewegungsabläufen sind mögliche Gründe für die hohe Aktivität der linken Gehirnhälfte.

Der Versuch in einer Wettkampfsituation besonders präzise oder schnell zu sein oder das Publikum zu beeindrucken, kann also das Gegenteil bewirken.

Ziel der Studie war es, die Aktivität in der rechten Gehirnhälfte, die in Verbindung mit Intuition und Bewegung steht, durch physische Beanspruchung der linken Hand (die mit der rechten Gehirnhälfte verbunden ist) zu steigern. Dadurch sollte die dominante Aktivität der linken Gehirnhälfte reduziert werden.

Der Ablauf der Studie

Illustration
Bildquelle: Technologie-Medien

Die Wechselwirkung zwischen dem körperlichen und dem psychischen Geschehen wird auch als ,,Embodiment“ bezeichnet. Die ,,Embodiment Technik“ der Studie bestand in einem dynamischen Handgriff, der für eine Dauer von 10 bis 15 Sekunden ausgeführt wurde, indem ein Tennisball von Tennisspielern in einer Hand zweimal pro Sekunde gedrückt wurde. Anschließend schlugen die Spieler innerhalb von fünf Sekunden auf.

Die Erforschung der Effektivität des dynamischen Handgriffes in Wettkampfsituationen erfolgte durch die Messung der Präzision der Aufschläge von Junior Tennisspielern, die Rechtshänder waren. Der Aufschlag eignet sich für die Studie besonders gut, da kein direkter Einfluss des Gegners besteht, der Ball vorhanden ist, immer der gleiche Schlag – also ein automatisierter Prozess - ausgeführt wird und das entsprechende Zeitfenster zu Verfügung steht. Durch das hohe Leistungsniveau der Spieler wurde sichergestellt, dass der Aufschlag tatsächlich ein automatisierter Bewegungsablauf ist.

Im Pre-Test zielte jeder Proband achtmal auf ein festgelegtes Ziel ohne unter Druck zu stehen. Im Post-Test wiederholten sie den Vorgang, wurden allerdings in eine Drucksituation versetzt.

Der Druck entstand durch folgende Aspekte:  Zwei Teams traten gegeneinander an, die Messergebnisse der Aufschläge wurden laut verkündet und es gab einen Preis zu gewinnen. Außerdem waren Zuschauer anwesend, Videokameras aufgestellt und es wurde eine technische Analyse der Aufschläge im Anschluss angekündigt.

Indem im Post-Test 10 Probanden den dynamischen Handgriff mit der rechten und die andere Hälfte ihn mit der linken Hand ausführten, konnte auch verglichen werden, welche Wirkung durch die Beanspruchung der jeweiligen Seite erzielt wird.

Die Technik funktioniert

Die Effektivität des dynamischen Handgriffes mit der linken Hand, als ,,Emobodiment Technik“ gegen abnehmende Präzision in Druck-/Wettbewerbssituationen bei Tennisaufschlägen auf hohem Niveau, wurde bestätigt. Die Präzision der Aufschläge der Probanden, die ihn ausführten, blieb auch unter Druck konstant.

Es wurde deutlich, dass der Effekt nur bei den Probanden, die den Tennisball mit ihrer linken Hand gedrückt hatten auftrat. Bei der Hälfte, die den Handgriff mit der rechten Hand ausführten, nahm die Treffergenauigkeit unter Druck deutlich ab.

Warum es funktioniert

Der deutliche Unterschied, der durch die physische Beanspruchung der unterschiedlichen Körperhälften entsteht, könnte die Theorie, dass die verstärkte Aktivierung der rechten Gehirnhälfte der Schlüssel zur ,,Unterdrückung“ der starken Aktivität der linken Gehirnhälfte ist, bestätigen. Allerdings zeigten EEG Studien, dass das gleichmäßige Zusammenpressen für Entspannung, eine Art Ruhezustand, im gesamten Gehirn und nicht für die Aktivierung der rechten Hälfte sorgt. Entspannung bedeutet, dass Alpha Wellen im Gehirn entstehen, die die Abnahme der Aktivität der linken Hälfte bewirken.

Diese Abnahme erlaubt die erfolgreiche Ausführung automatisierter Bewegungsabläufe, die vor allem von der rechten Gehirnhälfte gesteuert werden.

Warum es nur mit der linken Hand funktioniert

Die Verknüpfung der jeweils gegenüberliegenden Körper- und Gehirnhälften und die Wahl der aktiven Hand scheinen nun irrelevant und widersprüchlich zu den Ergebnissen der Studie zu sein, da die Alpha-Wellen beide Seiten des Gehirns betreffen.

Warum sollte die Seite, mit der die ,,Embodiment Technik“ ausgeführt wird, also von Relevanz sein? Es besteht die Theorie, dass das Zusammenpressen der linken Hand wirkungsvoller als das mit der rechten Hand ist, da die rechte Hälfte des Gehirns (mit der die linke Hand verbunden ist) über deutlich mehr neuronale Verknüpfungen und weiße Masse, die der Signalweiterleitung dient, verfügt. Die bessere Signalweiterleitung könnte dazu führen, dass sich höhere Alpha-Wellen entwickeln und die Aktivität der linken Hirnhälfte stärker abnimmt, als sie es durch die physische Belastung der rechten Hand tun würde.

Neue Möglichkeiten

Die Technik kann Sportlern dabei helfen die bewusste oder sprachlich-analytische Verarbeitung zu unterbinden und ihr Performancelevel in Drucksituationen aufrechtzuerhalten. Dies trifft zumindest auf männliche Junior Tennisspieler zu, die in der Studie die Gruppe der Probanden darstellte. Vermutlich können aber auch weibliche, jüngere und ältere Personen durch die physische Beanspruchung ihrer linken Hand ihre Performance in Drucksituationen steigern.

Da die Technik innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums (10 bis 15 Sekunden) angewendet werden kann, ist es denkbar, die Methode auch in echten Wettkämpfen, als Teil der Aufschlagsroutine, anzuwenden und eine konstantere Leistung zu erzielen.

Des Weiteren deuten die Ergebnisse andere Studien darauf hin, dass der Effekt bei anderen Sportarten, wie Taekwondo, Badminton, Bowling, Volleyball, Turnen und Fußball, ähnlich ist.

Außerdem stellte sich heraus, dass die Verwendung eines Balls oder ähnlichem effektiver ist, als die bloße Hand zu ballen, da ein größerer Kraftaufwand den Effekt verstärkt.

Originalpublikation:

Preventing a loss of accuracy of the tennis serve under pressure
Jürgen Beckmann, Lukas Fimpel, V. Vanessa Wergin
Veröffentlicht: July 26, 2021 – DOI: 10.1371/journal.pone.0255060


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