Holzbau ist der Schlüssel für eine Transformation der Bauindustrie

im Interview mit Nachhaltigkeitsmanagerin Anna Stoltenberg

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Bildquelle: timpla

Das Jahr 2023 ist das wärmste seit Beginn der Industrialisierung. Der Bau- und Immobiliensektor, verantwortlich für den Bau und Betrieb von Gebäuden, trägt mit 39 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Dadurch nimmt er eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Erderwärmung ein.

Doch welche Bedeutung das Bauen für unseren Planeten hat, zeigen folgende Zahlen eindrucksvoll: Der Bausektor ist für 50 Prozent der globalen Rohstoffentnahmen und 92 Prozent der mineralischen Ressourcenentnahme verantwortlich. Zusätzlich verursacht der Bausektor mit 55 Prozent Anteil weltweit das größte Abfallaufkommen.

"Wie ernst wir es mit einem nachhaltigen Wirtschaften meinen, zeigt sich vor allem daran, wie wir unsere Bauindustrie und den Immobiliensektor umbauen", bringt es Anna Stoltenberg, Sustainability Managerin bei timpla by Renggli, auf den Punkt.

Der Holzbau erweist sich als aktuell einziger Wegbereiter und Schlüssel, der eine Transformation der Bauindustrie kurzfristig und in nennenswerter Größenordnung voranbringen kann. Beton wird mittelfristig aufgrund der Emissionen bei der Herstellung und des Ressourcenverbrauchs einer der klimaschädlichsten Baustoffe bleiben. Wird Holz als Baustoff eingesetzt, ist der Effekt doppelt positiv: Man substituiert einerseits energieintensive Baustoffe und somit CO2-Emissionen und speichert zugleich langfristig CO2 in den Holzbauten.

Vergleicht man die durch Rohstoffgewinnung und Herstellung („von der Wiege bis zum Werkstor“) bedingten CO2-Emissionen, schneidet das nachwachsende Holz besser ab: Die Herstellung von Brettschichtholz verursacht 119 kg CO2 je m³, Transportbeton 145 kg CO2 je m³, Bewehrungsstahl sogar 609 kg CO2 je Tonne. Im Gegensatz zu Beton und Stahl speichert das Brettschichtholz bis zu seinem Lebenszyklusende 788 kg CO2. Der Bau eines Timpla-Referenzgebäudes, ein Beispiel für die Effizienz des Holzbaus, verursacht über den gesamten Gebäudelebenszyklus nur 6,3 kg CO2 pro Quadratmeter Nettoraumfläche. Das darin verwendete Holz speichert bis zur energetischen Nutzung/Verbrennung 0,2 Tonnen CO2 pro Quadratmeter bzw. 570 Tonnen CO2 im gesamten Gebäude. Ein entschiedenes Handeln in Richtung Holzbau wird nicht nur einen positiven Einfluss auf unsere Umwelt haben, sondern auch zur Erfüllung internationaler Klimaschutzziele beitragen.

Können sich unsere Wälder denn mehr Holzbau leisten?

Anna Stoltenberg: Für das Bauwesen wird vorrangig Nadelholz verwendet. Aktuell kann die Nachfrage überwiegend mit dem heimischen Angebot gedeckt werden, rund 11 Prozent werden vor allem aus unseren angrenzenden Nachbarländern importiert. Zugunsten eines klimaresilienten Waldumbaus wird der Nadelholzanteil in den nächsten Jahrzehnten zugunsten von Laubholz abnehmen. Daher wird sich die Bauwirtschaft auch mit der Verwendung von Laubholz und einer stärkeren Wiederverwendung von Altholz auseinandersetzen müssen.

Ist das nicht ein Grund mehr, unsere Wälder zu schützen?

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Bildquelle: Florian Eschauer

Anna Stoltenberg: Unsere Wälder müssen in jedem Fall geschützt werden. Sie sind wichtig als Lebensraum und Kohlenstoffsenke, allein in Deutschland entnimmt er jährlich rund 41 Millionen Tonnen Treibausgase aus der Atmosphäre, das sind rund 5 Prozent der deutschen CO2-Emissionen. Aber Holzbau steht nicht im Widerspruch dazu. Bei nachhaltiger Forstwirtschaft, also maximal nur so viel zu entnehmen wie neu hinzugekommen ist, ist der Gesamteffekt für das Klima positiv. Wir vermeiden Emissionen durch mineralisches Bauen, speichern Kohlenstoff im Holzbau und die nachwachsenden Bäume binden neuen Kohlenstoff. In der Gesamtschau kann das kein anderer Baustoff bieten.

Aber wenn nicht genug Holz nachwächst, können wir auch keinen Holzbau betreiben?

Anna Stoltenberg: Das Holzaufkommen endet nicht abrupt, alles, was mit dem Wald zu tun hat, geschieht langsam. Wir sollten die Diskussion sachlich führen. In den nächsten 5-10 Jahren, je nach Baumart, ist das Holzaufkommen stabil. Aber viele Bäume leiden unter dem Klimawandel und der Holzbau wird sich mit dem Wald weiterentwickeln. Viel weniger Fichte, hin zu neuen Baumarten, auch mehr Holzwerkstoffe, die eine bessere Nutzung des gesamten Baums erlauben.

Was kann die Politik dagegen tun?

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Bildquelle: timpla

Anna Stoltenberg: Eine Menge. Beispielsweise eine ganzheitliche Betrachtung von Gebäuden aus der Lebenszyklusperspektive. Dann fällt auf, dass ein Großteil der verursachten Emissionen in der Herstellung der Gebäude entsteht. Vor allem brauchen wir mehr Tempo und CO2-Obergrenzen über den gesamten Lebenszyklus für Neubauten. Betriebsbedingte Emissionen zu optimieren ist wichtig, aber nicht ausreichend. Mineralisches Bauen ist taxonomiefähig (EU-Taxonomie). Würde die graue Energie, also die Herstellung der Baustoffe, miteinbezogen und nicht nur der Betrieb des fertigen Gebäudes, wäre dies unmöglich.

Ist der Holzbau die einzige Lösung?

Anna Stoltenberg: Natürlich nicht. Auch wenn er mehrere Probleme auf einmal löst. Holz ist bei vergleichbaren Eigenschaften viel leichter als Stahl und Beton, man kann also bestehende Gebäude ohne großen Aufwand aufstocken und so weitere Versiegelung des Bodens vermeiden. Aber ganz ohne Beton geht es eben auch nicht. Wir müssen weitere nachhaltige Baustoffe und Bauweisen entwickeln und zudem den notwendigen Beton auf die klimaschonendste Weise herstellen. Statt ungenutzte Gebäude abzureißen, müssen wir uns um deren Um- oder Weiternutzung Gedanken machen und neue Wohnformen erwägen. Davon sind wir noch weit entfernt.


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